Ein gewisser Cheparinov findet in Axel seinen Meister

Axel will zur Zeit wohl mit aller Macht der Rudi Gutendorf des Schachs werden. Er ließ das letzte Jahr in London und Travemünde ausklingen, um im neuen Jahr in bester Weltenbummler-Manier Engagements in Gibraltar und zur Zeit in Villach anzunehmen. Auf dem Affenfelsen  zeigte er sich abermals gut in Form, auch wenn er dreimal mit Schwarz nach eigener Aussage richtig auf die Nuss bekam. Freilich auf ganz hohem Niveau: Gegen GM Malakhatko, GM Hoffmann und IM Irina Krush darf man schon mal verlieren. Sonst konnte ihn keiner bezwingen, auch nicht die ehemalige Nummer 16 der Welt Ivan Cheparinov! Und man kann beileibe nicht sagen, dass dies ein glückliches Remis war (höchstens für den Super-GM). Die Partie lohnt sich wirklich anzusehen. Der Bulgare versuchte sich mit einer taktischen Verschärfung aus einer passiven Position zu befreien, ließ aber später unbedacht ein wildes taktisches Gemetzel zu, was Axel dankend annahm und welches fast zu einer Hammer-Sensation geführt hätte (so wars halt „nur“ ne einfache Sensation. Übrigens konnte unser Weltenbummler die letzte Runde in Gibraltar nicht spielen – ungünstige Flüge! Schließlich musste er danach doch gleich weiter ins österreichische Villach. Dort läuft der Anfang des Opens wie bei Profis üblich: Drei Amateure hat Axel aus dem Weg geräumt und nun wartet mit IM Mazi der erste Titelträger. Axels Ergebnisse könnt ihr diese Woche hier einsehen: www.chess-results.com/tnr23513.aspx
Wo er nächste Woche spielt, ist leider nicht bekannt
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Hier nun aber endlich seine Partie gegen Chepa – hier auch zum Online-Nachspielen:

Stephan,Axel (2252) – Cheparinov,Ivan (2660)

Gibtelecom Masters 8th Gibraltar (4.16), 28.01.2010 [Michael]

1.e4 g6 2.d4 Lg7 3.Sc3 d6 4.Le3 c6 5.Dd2 Sd7 6.f3

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Axel beantwortet den passiven schwarzen Aufbau (Chepa du Pflaume, was soll das? Du hattest doch mal 2.713 ELO. Und jetzt landest du bei Pirc, tss…) mit einem einfachen und guten Aufbau, den er sicherlich einst in der Grundschule gezeigt bekam. 6…b5 7.g4 Lb7 8.Sge2 a6 9.Lg2 Sb6 10.b3 Sf6 11.h4 h5 12.g5 Sfd7 13.f4 c5 14.0–0 b4 15.Sd1

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15…cxd4? Sicherlich überambitioniert vom Bulgaren. Klar, er will den Lg2 dauerhaft kalt stellen und die offene weiße Königsstellung reklamieren, aber der Bauern b4 wird schwach und die f-Linie öffnet sich. Und das alles mit einem König in der Mitte. Weiß steht jetzt ohne Zweifel besser, aber das Ding bleibt natürlich schwierig zu spielen. 16.Lxd4 e5 17.Lb2 Dc7 18.f5 gxf5 19.Txf5 Sf8 [19…a5? dafür ist schon keine Zeit mehr. 20.Se3 Sc5 21.Taf1 0–0 22.Sg3+- und Schwarz kann die Figuren bald in den Kasten packen.] 20.Dxb4 den Bauern nehmen wir mal mit, besser stehn wir ja ohnehin … 20…Sg6 21.De1 d5 22.exd5 Sxd5 23.Dg3 [besser, aber auch komplizierter ist 23.c4! Sb4 24.Dxb4 Lxg2 25.Se3± und Weiß bleibt am Drücker.] 23…0–0 24.Lxd5 Lxd5 25.Se3 Le4 26.Tf2 Tad8 27.Sc3 Lb7 28.Taf1? Dieser sehr natürliche Zug überlässt Schwarz eine entscheidende Initiative. [28.Sf5 Dc6 unklar] 28…Dc6 [28…Td4 ist ebenfalls sehr gut für Schwarz.] 29.Kh2 Td4 30.Sf5 Tg4 31.Dh3

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e4?? Pech gehabt Ivan. Fragezeichen werden hier in der Relation zur ELO vergeben… Kollege Fritz will nach einer Sekunde f7-f6 spielen und hat damit den Drops gelutscht. 32.Sd5! Super Axel! Jetzt ist Weiß wieder fett dabei, bei der Ausspielung der Zeitnotlotterie. 32…Dxd5 [32…Lxb2 33.Sde7+ Kh7 34.Sxc6 dürfte er gerade noch so gesehen haben…] 33.Lxg7 Lc8? So, jetzt haben wir dich, Freundchen! [33…e3!? o.k. wir haben Fritz, aber Du hattest mal über 2.700! Also rechne doch mal ein bisschen: 34.Dxe3 Tg2+ 35.Kh3 Txf2 36.Txf2 Dh1+ 37.Th2 (37.Kg3 Dg1+ 38.Kh3 Lc8–+) 37…Df1+ 38.Kg3 Dxf5 39.Lxf8 Kxf8 40.Td2 Dg4+ 41.Kf2 Dxh4+ bietet Schwarz bei komplizierter Materialverteilung sicherlich gute Gewinnchancen.] 34.Sh6+! Kxg7 35.Txf7+ Txf7 36.Txf7+ Kh8

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37.Dc3+ Darf man ein Fragezeichen vergeben, wenn man in Zeitnot gegen Cheparinov das Remis forciert? Ich denke ja auch nein (Joachim und Konsorten sowieso) auch wenn Gerd und Ralf schimpfen werden [freilich hätten sie nie so eine Stellung gegen ihn erreicht alt ]. Erwähnt sei noch, dass der Kommentator den Gewinnzug vermutlich gespielt hätte, denn für das Finden der Remisabwicklung reicht ja seine bescheidene Rechenkraft nicht…). Trotzdem irgendwie schade, denn das totale Glück war doch sooo nah: [37.Sxg4!! lässt gleich Dd2+, Dxf7, Dd6+ und Lxg4 auf einmal zu, sollte aber tatsächlich in allen Varianten gewinnen:

a) 37…Lxg4 38.Dc3+ De5+ 39.Dxe5+ Sxe5 40.Te7 Sf3+ 41.Kg3 Sd4 42.Txe4 und der Turm sollte sich mit seinen zwei Mehrbauern relativ bequem gegen die zwei Leichtfiguren durchsetzen.

b) 37…Dd2+ 38.Tf2 Dd4 39.c3! Dd6+ 40.Dg3 Dxg3+ 41.Kxg3 Lxg4 42.Tf6 Se7 43.Txa6 e3 44.Ta5 Sf5+ 45.Txf5! Lxf5 46.Kf3 und die drei Bauern setzen sich gegen die Figur locker durch.

c) 37…Dxf7? geht sofort in die Binsen 38.Dc3+ und da sich der Sg4 immer mit Schach rettet und der Lc8 flöten geht, hat Weiß nicht nur gefühlt eine ganze Armee Bauern mehr.

d) 37…Dd6+ 38.Dg3 Dxg3+ 39.Kxg3 Lxg4 40.Ta7 e3 41.Txa6 Se7 42.Ta5 Sf5+ 43.Txf5 Lxf5 44.c3! und wieder entscheiden die Bauern den Tag.

37…De5+ 38.Dxe5+ Sxe5 39.Tf8+ Kg7 40.Txc8 Sf3+

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41.Kh3 Sg1+ 42.Kh2 Sf3+ 43.Kh3 Sg1+ 44.Kh2 ½–½

P.S.: Ich versuche mal Kontakt mit Achim aufzunehmen, ob wir eine Möglichkeit zum Online-Nachspielen haben.