Im Abstiegskampf der Oberliga konnte unsere erste Mannschaft noch einmal einen wichtigen Gewinn verbuchen. Nach der unnötigen Niederlage (2:4) in Kiel gegen Neuling Doppelbauer konnten wir das 21. Oberliga-Duell gegen unseren Nachbarn Schachfreunde überraschend deutlich (4:1) gewinnen. Doch die Lage ist alles andere als entspannt – zunächst nach Kiel:
Zum ersten Mal in der Saison konnten wir am 19.01. bei der Aufstellung „aus dem Vollen schöpfen“ – alle anderen SCD-Teams müssen nicht auf weitere Spieler verzichten! Schade, dass dies nicht schon in den ersten Runden gelungen ist. Mit 1 bis 8 ohne 6 fuhren wir nach Kiel, denn leider musste Roman erneut absagen. Da Leon schon festgespielt ist, spielte er an 8, so dass ich das erste Mal als „Reserve“ und non-playing-captain vor Ort war – wie „früher“ bei Jugendwettkämpfen in der (damaligen) Jugendoberliga Nord.
Ebenfalls zum ersten Mal war Doppelbauer Kiel unser Gegner. Die Mannschaft hat einige junge Talente, die in den ersten Runden schon einiges bewegen konnten und vor der 5. Runde mit 4:4 Punkten vor uns auf Platz 5 lagen. Hier nun der „Live-Mitschnitt“:
Ich sitze in einem Klassenraum einer Kieler Schule und fühle mich knapp 30 Jahre zurückversetzt, denn da haben wir unsere Kämpfe in den Klassenräumen des MCG oder CPG gespielt und als junge Wilde die Liga etwas aufgemischt. – Mal sehen, ob wir uns heute als „Platzhirsche“ behaupten können.
Nach etwa 1,5 Stunden gibt es schon einige interessante Stellungen: Bei Fabian brennt schon das Brett, denn er hat im Zentrum eine Figur gegeben, die er gleich zurückgewinnt. Über die Umstände wird noch gestritten. Almar ist gerade dabei seinem Gegner strukturelle Schwächen im Zentrum nachzuweisen. Torben hat sich im Franzosen auf eine Diskussion zum Thema „gegen das Läuferpaar mit schwacher Bauernstruktur“ eingelassen. Holger hat schon nach wenigen Zügen riesigen Zeitvorteil in einer für ihn sehr bekannten Stellungsstruktur. Axel, zum ersten Mal in dieser Saison dabei, spielt als Schwarzer erst einmal gegen das weiße Zentrum. Bei Christian hat sich der Gegner entschieden, auf die kurze Rochade zu verzichten. Leon spielt gegen das weiße Läuferpaar und will dafür ein gutes Zentrum aufbauen. – Nur bei Markus sieht es irgendwie noch ganz ruhig aus.
Es läuft gut an: Almar hat nach gut 2,5 Stunden seinen Angriff überzeugend vorgetragen. Kurz danach kann auch Torben seine strukturell bessere Stellung gewinnen, allerdings überraschend schnell.
Doch die vierte Stunde läuft klar gegen uns: Leon hat die Rochade verpasst und bekommt nun Probleme mit seinem König. Christian bekommt Probleme durch einen nicht optimalen Läufer und bei Holger ist plötzlich die Figur weg. So steht es nach vier Stunden 2:2, da Leon und Holger verlieren.
Markus hat im Turmendspiel einen Bauern mehr, doch es ist der Randbauer. Fabian konnte zunächst zwei Figuren für einen Turm bekommen, doch sein Gegner hatte aktives Spiel und kurz vor der Zeitkontrolle musste er sich dem weißen Druck beugen und spielt nun mit einem Springer gegen den Turm – hat sein c-Freibauer noch Perspektive? Bei Axel bestehen noch Hoffnungen, doch wie viel ist sein Läuferpaar im Figurenendspiel wert? – Christian kämpft um den Ausgleich.
Axel hat vor der Zeitkontrolle in ein ungleichfarbiges Läuferendspiel abgewickelt. – Das sieht nicht mehr vielversprechend aus… Kurz nach der Zeitkontrolle gibt Fabian sein schlechtes Endspiel auf; nach dem Partieverlauf sehr bitter. Die verbleibenden drei Stellungen geben nicht viel Hoffnung.
Die sechste Stunde beginnt. Christian steht schlecht und wehrt sich verzweifelt mit seinem schlechten Läufer gegen einen Freibauern. Er kann sich einen Freibauern verschaffen, der aber nur unter Figurenopfer durchlaufen kann. Leider geht auch ein schwarzer Freibauern durch und Christian kann kein Dauerschach geben und verliert – 2:4. Sechs ausgekämpfte Partien, doch leider die letzten vier gegen uns. Axel kann keinen Freibauern bilden und muss nach gut sechs Stunden seine Versuche einstellen. So bleibt nur noch der einsame Kampf von Markus im Turmendspiel mit einem Mehrbauern. Schwarz muss sich sehr genau verteidigen, doch der junge Kieler hält dem Druck mit wenig Zeit auf der Uhr stand und kennt die richtige Verteidigung: Remis nach etwa 390 Minuten zum Endstand von 5:3 für Doppelbauer Kiel. – Danke nach Kiel für die gute Versorgung! Punkte hätten wir auch gern mitgenommen…
So sind wir nun auf Platz 8 zurückgefallen und konnten keine Entlastung für die Landesliga bieten. Drei Wochen später gilt es bei Schachfreunde im nächsten Hamburger Duell den Abstiegskampf anzunehmen, denn Schachfreunde ist vor Runde 6 auf Platz 9.
Das „Duell um die Meisterschaft am Hammer Park“ steigt in der Arena eines Hamburger Verlages innenstadtnah. Sturm ist vorhergesagt, es gibt Warnungen sich nicht im Freien aufzuhalten, doch morgens um 10 ist die Welt noch in Ordnung – die Ruhe vor dem Sturm. Geschäftsreisen nach China wurden abgesagt, so dass wir auch gegen die Schachfreunde mit 1 bis 6 relativ gut aufstellen können. Roman kommt zu seinem ersten Saisoneinsatz, nur Axel und Christian müssen ersetzt werden.
Die Schachfreunde spielten ohne 1 und 7, so dass an Brett 7 und 8 zwei neue Ersatzspieler auftauchten – die Vorbereitung an den hinteren Brettern ist ein schweres Unterfangen. Waren wir überrascht oder erfreut, dass alle Schachfreunde ein Brett höher spielen mussten? – Die fehlenden Spieler hatten mit ihren 0,5 aus 4 vielleicht auch wegen ihrer negativen Ergebnisse pausieren wollen oder sollen!? – Der ELO-Durchschnitt der Schachfreunde lag mit 2211 zu 2199 noch zu ihren Gunsten, gerade auch an den hinteren Brettern, an denen wir in Kiel nur ein Remis holen konnten.
Die Wahl der Eröffnungen ist weitgehend bekannt und so stellt sich immer die Frage, wer wen zuerst überraschen kann. Fabian und Torben spielten ihre Eröffnungen und setzten das Thema „gegen das Läuferpaar mit strukturellen Schwächen spielen“ fort. Dabei rochierte Fabian ebenso lang wie sein Gegner, Torben thematisch kurz und sein Gegner gar nicht. Markus spielte mit kurzer Rochade und aktiven Figuren – scheinbar mit Eröffnungsvorsprung und leichtem Vorteil. Bei Almar konnten beide Spieler innerhalb der ersten zehn Züge kurz rochieren und es entwickelte sich ein Kampf um das Zentrum.
An den hinteren Bretter ging es schon etwas stürmischer zur Sache: In beiden Schwarzpartien im 3. Zug d5-d4 mit Kampf um das Zentrum und in beiden Weißpartien der direkte Angriff auf den Königsflügel: Holger mit langer Rochade und 10.g2-g4 gegen den noch im Zentrum befindlichen König bei mehr als 200 Partievorbildern, Stefan mit 10.h5 nach der schwarzen kurzen Rochade ohne Partievorbilder. An dieser Partie wurde nachher sehr intensiv und kontrovers diskutiert, so dass ich hier einen ersten Blick auf das Brett geben möchte:
Die erste beendete Partie gab es an Brett 1: Als Markus locker ließ, konnte Jan-Paul Ritscher mit der kurzen Rochade seinen Entwicklungsnachteil kompensieren und ausgleichen – remis nach 26 Zügen. Während Fabian seine Verteidigung organisierte, hatte Torben seine Figuren schon zum Gegenspiel gruppiert, Almar hatte Raumvorteil und Roman war vom 26. Zug weit entfernt, denn er ließ sich wie immer viel Zeit – nach langer Pause auch durchaus gut. Die Partien von Leon und Holger mit gegenseitigen Rochaden gingen auf beiden Flügeln weiter, während Stefan an Brett 7 mit seinem zentralen König am Königsflügel aktiv wurde:
10…Sxh5 11.Txh5 gxh5 – Wie ist dieses prinzipielle Qualitätsopfer zu bewerten? – Hat Weiß genügend Angriff? – Wie ist es mit dem typischen Läuferopfer auf h7? – Antworten dazu in der nächsten Tonne! Die Partie wurde mit 12. Sg5 h6 13.Lh7+ Kh8 14.Dxh5 fortgesetzt. Ein Angriff auf dem Flügel soll (oft) mit der Öffnung des Zentrums begegnet werden. Insofern ist der Partiezug 14…e5 normal, doch 14…c5xd4 nebst 15…e5 wäre wohl besser gewesen. Nach 15.dxe5 Sxe5 16.Lc2 ist die kritische Stellung der Partie entstanden, die im Nachhinein ausführlich und kontrovers diskutiert wurde – ohne Computerunterstützung:
Der zentrale schwarze Springer kontrolliert wichtige Felder und was hat Weiß? – Nicht einmal einen Bauern für die Qualität und einen zentralen König. Insofern wurde neben dem Partiezug 16…Lc8 auch 16…La6 sowie 16…d4 und schließlich noch 16…De8 und 16…Kg8 diskutiert. – Hier erkannten beide Spieler die zentrale Drohung der Stellung nicht! Nach 17. Sh7 bekommt Weiß noch den Bauern h6, doch mit 17.Sxf7 konnte der Bauern sofort vom Brett verschwinden, denn 17…Sxf7 ermöglicht 18.Dg6! und nach 17…Txf7 18.Lxe5 hat Weiß den ersten Bauern erobert und ist weiter am Drücker. Nach 17…Lg4 18.Dh2 steht Weiß schon besser, obwohl der Läufer den weißen König stört. Nun greift Weiß nicht nur den Tf8 und den Bh6 an, sondern auch den Se5. Von den möglichen Zügen 18…Te8 oder 18…Sg6 entschied sich Schwarz zu 18…Dd6, um auch den Turm a8 ins Spiel zu bringen. Nach 19.Sxf8 Txf8 20.f3 Lc8 21.0-0-0 hat Weiß nicht nur das materielle Gleichgewicht wieder hergestellt, sondern auch rochiert und verbleibt mit der besseren Struktur und Spiel gegen die schwarzen Schwächen.
Wieso ist die Partie nach dem folgenden Zug entschieden: 21…f5?
Auch an den anderen Brettern wurde es stürmisch, z.B. bei Holger an Brett 5:
Nach 20.Sh5 Kh8 hatte Schwarz sich nur einem Schach auf f6 entzogen: 21.Sxg7! Wie schon im 20.Zug war auch 21…Le5 besser als 21…Kxg7, denn nun erlebt der König einen nicht geahnten Sturm mit 22.Df6+ Kg8 23.Sf5! Gegen die Mattdrohungen muss Schwarz die Dame geben und steht auf verlorenem Posten: 23…exf5 24.Ld4! Le5 25.Lxe5 Dxe5. 26.Dxe5 +-
Auch Leon unterschätzte die Gefahr der weißen Springer, sonst hätte er mit 24…Lxe2 den Einschlag 25.Sxd4 verhindert, der ihn nur kurz einen Bauern kostete aber viel schlimmer ein gefährliches weißes Figurenspiel einleitete. Weiß nutzte zwar nicht alle Chancen, doch nach dem Damentausch versäumte Leon kurz vor der Zeitkontrolle mit 38…Lc4 statt Sc4 die Ausgleichschancen im Endspiel und konnte danach nichts mehr machen, um seine Niederlage zu vermeiden.
Sonst war die vierte Stunde jedoch auf unserer Seite! Torben übernahm Schritt für Schritt die Initiative und konnte sich kleine Ungenauigkeiten leisten wie zum Beispiel den Damentausch. Fabian organisierte seine Verteidigung umsichtig und nahm dann einfach einmal einen weißen Bauern weg. Das weiße Qualitätsopfer hatte keinen Erfolg und Fabian gewann noch vor dem 40. Zug. Almar spielte mit seinem Raumvorteil mutig nach vorn wurde dann allerdings etwas ausgekontert. Nach dem 40. Zug entschied sich sein Gegner angesichts der hoffnungslosen Allgemeinlage trotz Vorteil für die Zugwiederholung. Da hatte auch Roman sein Zeitnotduell überstanden und im Figurenendspiel immerhin alle verbliebenen Bauern auf dem Königsflügel – remis nach 56 Zügen. Bevor Leon nach gut fünf Stunden sein Endspiel aufgegeben hat, musste Torben noch zeigen, dass er mit Läufer und Springer matt setzen kann – gelungen! So bleibt am Ende ein nicht unverdienter aber vielleicht etwas zu hoher 4:1-Sieg – wir danken den Schachfreunde für die gute Versorgung und die Punkte!
Angesichts der kommenden Gegnerschaft Norderstedt und Lübeck sieht es für die Schachfreunde auf Platz 9 ungünstig mit dem Klassenerhalt aus. Auch für uns wird es mit Norderstedt und Schwerin als nächste Gegner knapp, denn St. Pauli steht in der zweiten Liga neben Kiel auf einem Abstiegsplatz, so dass wir unseren aktuellen 7. Platz unbedingt halten müssen. Die Landesliga Hamburg muss sich auf vier Absteiger einstellen.