Tabellenführung trotz Fehlerfestival

Schach ist ein Spiel, bei dem Fehler über den Ausgang entscheiden – oder entscheiden können!
Über Fehler beim Schach werden ganze Bücher geschrieben und Fehler machen auch den Reiz des Spiels aus, denn die Partie am Brett zwischen zwei Menschen, die selbständig Entscheidungen treffen müssen, ist viel unterhaltsamer als das Spiel zweier Maschinen.

Die letzte Partie in der Paarung SC Diogenes 1 –  TV Fischbek war ein Fehlerfestival, das viel Schulungsmaterial für das Training bietet und beim Stande von 4:3 mit einem Remis sogar zur Tabellenführung gereicht hat. – Der Schreiber dieser Zeile hatte am Spieltag den Punkt nicht verdient und konnte immerhin dem Team zum doppelten Punktgewinn verhelfen. Als Kompensation berichte ich nun über den Verlauf des Wettkampfs an diesem sonnigen 19. Oktober 2025:

Das Stadtteilhaus Horner Freiheit sah uns zum ersten Mal bei der zweiten Begegnung von Diogenes 1 in der Landesliga gegen TV Fischbek. Bei diesem Heimkampf außerhalb des LAB waren die Rahmenbedingungen im Stadtteilhaus gut! Danke an alle, die sich dafür engagiert haben!
Während im April Fischbek geschwächt aufstellen musste, konnte das Team gestern mit 1 bis 8 auflaufen. Wir mussten dagegen sowohl Axel als auch Markus ersetzen, so dass wir uns auf einen knappen Kampf einstellten. Die von Michael ausgegebene Devise „mit Weiß gewinnen und mit Schwarz remis“ verunsicherte Christian. Vor Beginn des Kampfes erhöhte Karin den Druck „ich habe Dich im Blick“, aber Christian muss dann einen Moment gefunden haben, in dem Karin zu sehr mit Ihrer eigenen Partie beschäftigt war – ein frühes Remis mit Weiß an Brett 6. Diese Strategie vermeidet Fehler, ist jedoch laaaaaangweilig. Die andere Weiß-Partien hatten mehr zu bieten:

Oguz an Brett 8 hatte sehr früh eine „volle Partie“ mit strategischen Feinheiten, schönen weißen Felder für seine Springer und schließlich unterschiedlichen Rochaden. Holger an Brett 2 hatte ein volles Brett und konnte plötzlich mit b4 einen Springer auf a5 einsammeln, der auf dem vollen Brett kein Fluchtweg hatte. Hier deutete sich also schon relativ früh ein Punkt an. Unsere letzte Weißpartie an Brett 4 sah vom Schreiber dieser Zeilen eine lange Rochade im 8. Zug und das klare Signal „keine Langeweile“, doch im 11. Zug konnte Schwarz einfach einen Bauern wegnehmen – ohne weiße Kompensation.

Was machen unsere Schwarzpartien?
Karin und Michael investierten vor allem viel Zeit in einige wenige Züge und Torben so gut wie keine Zeit, um eine Variante mit einem Tripel-f-Bauern zu erreichen. Für ihn blieb ein Mehrbauer, der weißfeldrige Läufer und ein Doppelturm gegen eine weißen flexiblen Springer und den weißen Doppelturm – hier schien es nur um den halben Punkt zu gehen. Den halben Punkt erzielte Fabian – aus meiner Sicht überraschend früh, aber ich habe auch in meiner Partie nicht alle Feinheiten entdeckt – damit war ich nicht allein.

Als ich mit 19.f4 ein wenig Kontrolle im Zentrum erhoffte und bereit war, den nächsten Bauern am Königsflügel ins Geschäft zu stecken, falls Schwarz kurz rochieren sollte, entschied sich mein Gegner für einen Angriff auf meinen lang rochierten König mit 19…Sb4, so dass der Springer, die Dame auf c7 und der Turm auf c8 meinen doppelt gedeckten Bauern c2 ins Visier nahmen. Mit 20.c2-c3 musste ich diesen Springer direkt befragen. Diese Auflockerung provozierte offensichtlich 20…La4 (siehe Diagramm), da mein Turm auf d1 als neues Ziel einer geschwächten Grundreihe ausgemacht wurde. Doch dieser Angriff hatte ein Loch und so erreichte ich eine deutlich bessere Stellung, die ich bei genauerer Zugfolge noch besser hätte ausnutzen können.

Die Partie von Michael war nach frühem Damentausch sehr strategisch und nicht leicht zu spielen. Daher musste Michael viel Zeit investieren und hatte plötzlich einen Mehrbauern, aber wenig Bewegungsfreiheit. Karin dagegen hatte diese Bewegungsfreiheit im Zentrum und investierte die Zeit aufgrund der vielen Optionen, die in einer offenen Stellung möglich sind.

Durch den Sieg von Holger stand es 2:1 als es bei Karin zeitlich eng wurde, doch die taktischen Möglichkeiten konnte Karin ausnutzen und brachte uns das 3:1. Leider ging es bei Oguz in die falsche Richtung, denn der Angriff auf den schwarzen König wurde durch einen Damentausch gestört und plötzlich konnte Schwarz eine Springergabel auf beide Türme zeigen und Oguz sah nur den einen Angriff und musste aufgeben.

In meiner Partie war der 30. Zug ein nicht definierbares Highlight, das unbedingt im Training aufgearbeitet werden muss: Taktik-, Schachpsychologie- und Endspiel-Training. Schwarz konnte sich meine Mehrfigur zurückholen, doch leider versäumte ich dann trotz guter Zeitreserve den Übergang in ein noch immer gewonnenes Endspiel mit Turm und Läufer bei gleicher (!) Bauernzahl und gedecktem schwarzen Freibauern. Das schwarze Problem war sein durch den Rückgewinn der Figur ungünstig postierter Turm auf b5. Ich entschied mich zu schnell, diesen Turm mit meinem Läufer einzusperren, um ihn dann einzusammeln. Das nach 34 Zügen entstandene Endspiel Turm und fünf Bauern gegen Läufer und sieben Bauern bot meinem Turm leider keine offene Linie.

Während bei Torben nach Turmtausch vor allem laviert wurde, ging die Partie von Michael in die Crunch-Time. Nach eigener Aussage versäumte Michael es mehrfach, seinen Vorteil zu verwerten. Nach dem 40. Zug verzogen sich die Rauchschwaden und im Endspiel Turm-Springer gegen Turm-Läufer erhielt Michael das Remis, das er sich schon mit seiner Wettkampf-Devise erhofft hatte.
Angesichts des Spielstands von 3,5:2,5 ging ein wenig das Belauern von Brett 3 und 4 los. Während Torben sich mit seinem Turm auf der g-Linie möglichen Aufbrüchen entgegen stellte, erhielt ich im 43. Zug die Öffnung der g-Linie und einen schwachen Bauern auf h5 als Ziel. Schließlich reklamierte Torben dreifache Stellungswiederholung – und er hatte richtig gezählt: Im 35., 41. und 49. Zug stand die gleiche Stellung auf dem Brett und somit 4:3-Führung. Durch eine ungenaue schwarze Verteidigung konnte ich den Bauern h5 gewinnen und hatte nun meinen h-Freibauern gegen die schwarzen e- und d- Freibauern, die vom Läufer unterstützt werden konnte. – Aufgrund des Team-Ergebnisses und der zahlreichen Fehler in der Partie war ich froh als am Ende nach 55 Zügen die Punkteteilung unterschrieben wurde. Das Endspiel taugt sowohl für eine 60-Minuten-Analyse als auch für ein Beispiel in einem Endspielbuch, aber auf jeden Fall für das nächste Training, denn es wurden nicht nur viele Fehler gemacht, sondern es blieben auch Feinheiten der Gewinnführung verborgen!

Trotz dieser Partie voller Fehler bleibt ein insgesamt verdienter Sieg, der uns punktgleich mit HSK 6 die Tabellenführung der Landesliga einbringt – ein im Vergleich zum Vorjahr (0:4) erfreulicher Start in die Saison, die uns in den nächsten drei Runden Wettkämpfe im und gegen „den Klub“ beschert.

Über das unglückliche 3:5 von SC Diogenes 2 hat Thomas schon berichtet und mir bleibt nur der Hinweis, dass nach überstandener „Favoritenwalze“ die Bigpoints für den Klassenerhalt noch vergeben werden! – Weiter geht es am 16.11. mit hoffentlich ähnlich spannenden und lehrreichen Partien, denn ohne Fehleranalyse wären Schach-Wettkämpfe doch langweilig, oder?