DSAM-Cup: Doppeltes Glücksspiel rund um Weihnachten

Nachdem ich im Vorjahr nach der Neuorganisation des Turniers ausgesetzt habe und nur als Betreuer aufgetreten bin, hatte ich mich für dieses Jahr entschlossen, mal wieder selber anzutreten und dabei ein paar neue Spielorte kennen zu lernen. Und so meldete ich mich sowohl für das Wochenende vor Weihnachten in Düsseldorf als auch für das Wochenende nach Neujahr in Potsdam an. Angesichts der Tatsache, dass ich diesmal wieder in der C-Gruppe ran musste (das D-Finale vor 2 Jahren hat mir zu viele DWZ gebracht, ich muss mal Frank Stolzenwald fragen, wie er es schafft, trotz fast 100, z.T. erfolgreichen Turnierteilnahmen in der G-Gruppe zu bleiben), rechnete ich mir nicht allzu viele Chancen aus, denn beide Turniere hatten einen neuen Teilnahmerekord zu vermelden und nach DWZ lag ich jeweils im unteren Viertel der Rangliste.

Beginnen wir mit dem Turnier in Düsseldorf. Das Hilton-Hotel, ca. 3 km nördlich der Altstadt gelegen, war ein klasse Austragungsort. Guter Service, eine bewachte Gepäckaufbewahrung, und ein toller Spielsaal mit Kronleuchtern bot für über 500 Teilnehmer gute Spielbedingungen. Ich durfte mit Schwarz beginnen, kam halbwegs akzeptabel aus der Eröffnung, und als sich mein Gegner zu sehr darauf konzentrierte, meine kurze Rochadestellung anzugreifen (mit dem Problem, dass ich noch gar nicht rochiert hatte), geriet ich in Vorteil und konnte die Partie locker gewinnen.
Am Nachmittag hieß es, mit Weiß nachzulegen. Das klappte zuerst nicht so recht, da ich falsch auf den Vorstoß des gegnerischen h-Bauern reagierte ein eigentlich klar auf Verlust stand. Doch dann trat ein Phänomen auf, dass beim DSAM-Cup häufig passiert: mein Gegner spielte zu passiv und ich konnte zuerst einen Bauern gewinnen, dann meine Stellung konsolidieren, und als ich minimal besser stand, stellte mein Gegner die Partie weg.

Runde 3 brachte mich an Tisch 1 mit Schwarz gegen den an 1 gesetzten. Erneut kam ich überraschend passabel aus der Eröffnung, und im 20. Zug kam bereits ein Remisangebot angeflattert. Unglücklicherweise (für meinen Gegner) stellte sein Zug, mit dem er Remis anbot, etwas mehr als eine Bauerneinheit ein, und was noch schlimmer war – ich erkannte das. Ab diesem Zeitpunkt war die Stellung für ihn verloren – was auch Elisabeth Pähtz so bestätigte. Dies war ein weiteres nettes Angebot bei dem Turnier, i.d.R. sind 2 Großmeister vor Ort, die man mit seinen armseligen Partien belästigen darf. Und so stand ich bei 3/3.

Daraus ergab sich jetzt ein Problem. In der Annahme meiner eigenen Chancenlosigkeit, was einen Platz unter den ersten 7 betrifft, hatte ich für Samstag Abend einigen Freuden meine Teilnahme an einer kleinen Weihnachtsfeier zugesagt, und da diese auf einem Boot stattfand, musste ich kurz vor 20 Uhr in Köln sein. Daher hatte ich für meine Weißpartie in Runde 4 im Grunde genommen nur 3 Stunden Zeit. Der Plan sah also so aus, den Gegner mit aggressiven Schach zu beeindrucken und entweder einen schnellen Sieg oder ein schnelles Remis zu holen. Dummerweise war mein Spiel etwas zu aggressiv und ich stand schon nach gut 10 Zügen eindeutig schlechter. Normalerweise hätte sich jetzt mein übliches Kneten angeboten, aber die Zeit drängte, und so schaffte ich es zwar, in weniger als 3 Stunden die Partie zu beenden, allerdings ohne weitere Punkte.

Zwei Bahnfahrten, einige alkoholische Getränke und weniger als 5 Stunden Schlaf später musste ich als mit Schwarz auf Sieg spielen – gegen einen Gegner, der mir gerade mal bis zur Brust ging. Diesmal kam ich wie üblich schlecht aus der Eröffnung, und im Mittelspiel musste ich eine Qualität geben, bekam dafür aber einen schönen Freibauern. Die Partie hätte durchaus noch lange spannend bleiben können, doch irgendwann machte ich einen kleinen Fehler und so ging mein Druckspiel verloren. Am Ende 3/5, immerhin Platz 19 und ein Plus von 36 DWZ-Punkten – sowie die Erkenntnis, dass ich doch noch in der C-Gruppe mithalten kann.

Mit dieser Erkenntnis ging es dann am 2.1. nach Potsdam. Und diese Location war vollkommen anders. Direkt am Templiner See gelegen, hat es im Sommer sicherlich seine Reize, im Januar schlägt dann aber doch auch der Aspekt durch, dass man zu den nächstgelegenen Supermärkten (ausgenommen Aldi) und Restaurants doch eine knappe halbe Stunde zu Fuß unterwegs ist, und der Charme der Zimmer war im Vergleich zum Hilton in Düsseldorf doch etwas geringer. Vor allem aber die Spielsäle waren völlig anders, die 7 Gruppen waren auf 4  Räume verteilt, was für die Geräuschkulisse sicher von Vorteil war, man bekam von den anderen Gruppen aber kaum etwas mit. Und auch die Wege zu den Toiletten und dem Verpflegungsstand waren außergewöhnlich weit. Auf der anderen Seite – so konnte man sich auf das Schachspielen konzentrieren.

Einen interessanten Aspekt von meinem Turnier möchte ich schon mal vorweg nehmen – ich glaube, dies war mein erstes Turnier in dieser Serie, wo ich in den ersten 4 Runden dreimal gegen Frauen spielen durfte. So bereits in der ersten Runde. Ich war erleichtert, dass ich diesmal das Turnier mit Weiß beginnen durfte, trotzdem stand ich objektiv betrachtet nach meinem 15. Zug wohl etwas schlechter, doch zum Glück wählte meine Gegnerin eine etwas zu passive Variante des Gegenspiels, so dass sie irgendwann ihren Turm für meine 2 verbundenen Freibauern geben musste. Etwas peinlich war dabei, dass ich noch ziemlich viel Respekt vor ihrem Randbauern hatte, weil ich nicht kapiert hatte, dass ich ihn einfach im Moment der Umwandlung gegen meinen Turm tauschen konnte und mein König dann ihre Bauern am anderen Flügel einfach abräumt.

1. Td7 a3 2. Txh7 Kc4 3. Ta7 Kb3 und Weiß gewinnt einfach am Königsflügel – das hätte man auch sehen können.

In Runde 2 ging es dann gegen einen Mann, der gegen meinen üblichen Quark eine Idee auspackte, die ich meines Wissens noch nicht in Wettkampfpartien auf dem Brett hatte.

Nettelbeck – Jürgens

Im Grunde kann man schon sehen, dass Schwarz hier einige Probleme hat. Folgt z.B. 10. Sf3 exf4 11. Lxf4, muss sich Schwarz schon ganz schön anstrengen, um die zugegeben vorhandenen Lücken in der weißen Deckung auszunutzen. Stattdessen folgten gleich 2 unsaubere Züge von Weiß, nämlich 10. dxe5 dxe5 11. h4 exf4 12. Lxf4 Da5 13. Sf3 0-0, und mit einem Mal hat Schwarz Optionen auf c3, der e4 ist isoliert und der weiße König steht alles andere als sicher. 14. Sd4? Sc5 15. 0-0 und hier hätte ich 15. …, Td8 bereits eine Figur gewinnen können. Egal, ich ließ mir etwas mehr Zeit, stellte aber auf 2/2, und das war zwar zum Teil Glück, zum Teil aber auch erarbeitet.

In Runde 3 ging es gegen eine junge Dame, die ohne größere Probleme aufzeigte, dass ich auch mit Weiß kein Eröffnungsmonster bin. Es entbrannte ein Kampf um das Feld d4, auf dem sich ihr Springer immer wieder breit machte. Ich spekulierte mehrfach auf Stellungswiederholung, und auch wenn sie das zuerst nicht annahm, hatte ich doch das Glück, dass sie sich dermaßen in diesen Plan verbissen hatte, dass ihr gar nicht auffiel, welche Probleme mir ein plötzliches Umschwenken ihres Angriffs auf die Flügel bereitet hätte – es kam zu einem eher glücklichen Remis.

Die Krönung des Ganzen war dann aber die vierte Runde. Im Grunde bin ich gar nicht so schlecht aus den Startlöchern gekommen, hatte dann aber im 12. Zug eine saudumme Idee:

Nobis – Jürgens

12. … e6? 13. Sd6 Dc7 14. Sg5 h6 15. Sge4 Sd7 16. Ld2 S7b6 17. Dg3 Sc8 18. Kh1 Sxd6 19. Sxd6 Tad8  20. La5

Ehrlich gesagt machte das keinen Spaß, aber wer aufgibt, verpasst die Chance, von Patzern des Gegners zu profitieren. Und so kam es dann auch im 50. Zug:

Stellung nach 49. … d4

Hier gibt es im Grunde 2 Aspekte. Weiß hatte seinen Vorteil zugunsten eines Bauerns etwas eingebüßt und es gab ein langes Gefecht auf der c- und d-Linie. Zudem ist der schwarze Turm gerade auf h1 eingebrochen in der vagen Hoffnung, mit irgendwelchen Schachs Weiß in den Wahnsinn zu treiben. Ich hoffte z.B. auf sowas wie 50. Txd4 Tg1+ 51. Kf2 (dass Kh4 52. Dh1+ Kg5 an 53. Dh5 scheitert, hatte ich gar nicht erkannt) 51. …Dg2+. Das sah meine Gegnerin natürlich. Was wir beide völlig übersahen, war, dass 50. f5+ meinen König unangenehm ins Freie treibt: 50. … gxf5 51. gxf5 Kxf5 52. Tf2+ Kg6 53. Tf6+ und ich muss die Dame gegen Turm und Bauer geben. Stattdessen folgte 50. Dd6+ Dxd6 51. exd6 Kxd6 52. Txd4+. An dieser Stelle geht die Frage an unsere Endspielexperten: ist die Stellung eher Remis oder gewonnen für Weiß. Elisabeth Pähtz sah hier auf den ersten Blick gute Remischancen (sie hatte nur ca. 1 min da rauf geschaut), allerdings kann der weiße König den schwarzen Turm erst mal von c-Linie fernhalten.

Vermutlich möchtet Ihr jetzt aber auch wissen, wie ich diese Partie gewonnen habe: 52. … Ke6 53. Kf3 Th3+ 54. Ke4????? f5+. So qualifiziert man sich dann auch noch für die Endrunde. Und zumindest wissen wir jetzt, weshalb es in der Turnierserie eigentlich nur Sachpreise gibt: Schuld ist der Glücksspielstaatsvertrag.

Für die letzte Runde waren die Voraussetzungen klar – ein Remis müsste für die Qualifikation zur Endrunde reichen.Allerdings hatte mein Gegner diese bereits in der Tasche, also kein allzu großes Interesse an einem schnellen Remis. Es entwickelte sich eine hübsch verschachtelte Partie, bei der sich andeutete, dass beide Seiten irgendwann gerne das Zentrum mittels f4 bzw. f5 knacken wollen. Als sich das Ganze andeutete, war mir klar, dass ich f5 mit f4 kontere – um gerade noch rechtzeitig einen Zwischenzug zu sehen, durch den ich einen Bauern verloren hätte. Ich geriet etwas unter Druck, hatte dann aber den Eindruck, dass mein Gegner die Verschachtelung komplettieren wollte, und bot daher Remis an. Doch er spielte weiter und öffnete die h-Linie, auf der dann auch fleißig Türme getauscht wurden. Es entstand eine Stellung mit Dame, jeweils 7 Bauern und L+S gegen das Läuferpaar – eine Stellung, wo sich mein Springer noch rentieren könnte. Und das tat er, denn min Gegner übersah eine erste Feinheit und mein Springer konnte einen Bauern klauen – allerdings war ich mir nicht sicher, ob ich nicht in ein Dauerschach laufe:

Jürgens – Henkemeier

38. Sa6 Da5 39. Sxc7 De1 40. De2 Dg3+ 41. Kh1 – Dauerschach gebannt. Wenig später wurden die Damen getauscht und ich kam in ein Endspiel mit 6 gegen 5 Bauern sowie L+S gegen L+L.

Bei korrekten Spiel ist das wohl kaum zu gewinnen, zumindest aber sollte man nicht den Springer gegen den weißfeldrigen Läufer tauschen lassen. Ihr könnt ja mal versuchen, ob ihr euren Trainingspartner noch kaputt geknetet bekommt. Wichtig dabei zu wissen – Schwarz war mittlerweile auf 2 Minuten (und 30 sec pro Zug) runter. Im 68. Zug stellte sich mir dann die Frage, ob ich in ein Remis abwickle, dass sicher für die Endrundenqualifikation gereicht hätte (es wäre wohl Platz 5 geworden), oder ob ich den Bauernvorstoß am Damenflügel starte. Der schwarze König war mittlerweile auf d4, und es gab da die eine oder andere Idee, mit der Schwarz einen Läufer für 2 Freibauern opfert, aber wie gesagt – die Bedenkzeit.

Die entscheidende Ungenauigkeit unterlief Schwarz dann im 79. Zug, und ich konnte doch noch den Sieg einfahren:

Schwarz muss einfach nur Lc5 ziehen, aber stattdessen folgt: 79. … Kc4? 80. Sc6 Lxc6? 81. dxc6 Lb8 82. a6

Schach ist manchmal halt doch Konditionssache.

Mit 4,5/5 konnte ich einen zweiten Platz erringen, und wenn ich jetzt für 250€ nicht nur bei ChessBase einkaufe, sondern damit auch noch vernünftig trainiere, kann ich bei späteren Turnieren vielleicht auch mal verdiente Siege einfahren. Außerdem muss ich dem Turnierdirektor noch erklären, wie man unseren Vereinsnamen ausspricht.

Ende Januar geht es weiter in Hamburg, allerdings ist das Turnier bereits voll. Falls aber jemand nach diesem launigen Bericht noch unbedingt mitspielen möchte – ich bin bereits qualifiziert, vielleicht könnte ich ja noch meinen Startplatz an einen Vereinskollegen abtreten.