30. Deutsche Senioren Einzelmeisterschaften in Hamburg

Von Freitag (27.7.) bis Sonntag (29.7.) wurden in Bergedorf insgesamt vier neue Deutsche Meisterinnen und sechs neue Deutsche Meister geehrt. Zum ersten Mal spielte der Deutsche Schachbund die Titel in den beiden FIDE-Kategorien 50+ und 65+ aus. Fünf Titel wurden am Freitag im Blitzen vergeben, die anderen fünf Titel mussten ab dem 21. Juli bei großer Hitze im weitgehend gut klimatisierten Spielsaal einer bekannten Hotelkette ausgekämpft werden.

Beim Blitzen (5 Minuten + 3 Sekunden pro Zug) gewannen nach 11 Runden:

Deutsche Seniorenblitzmeisterin 2018 – 65+
Ursula Schumacher (HTC Bad Neuenahr)

Deutsche Seniorenblitzmeisterin 2018 – 50+
WIM Annett Wagner-Michel (SC Rotation Pankow)

Deutsche Nestorenblitzmeister 2018
Dieter Hottes (Stuttgarter SF)

Deutsche Seniorenblitzmeister 2018 – 65+
FM Gottfried Schumacher

Deutsche Seniorenblitzmeister 2018 – 50+
IM Bernd Schneider (Bochumer SV)

So gewann ein Ehepaar gemeinsam die Deutsche Senioren Blitzeinzelmeisterschaft. Es muss an der besonderen Konstellation von Sonne, Erde, Mond und Mars gelegen haben!?

Bei den neunrundigen Schweizer-System-Turnieren wurden beide Setzlisten von einem IM angeführt: IM Mihail Nekrasov (Elo 2305, SV Hockenheim) war in der Gruppe 65+ an 1 gesetzt, IM Dieter Pirrot (Elo 2365, SV Hofheim) in der Gruppe 50+.

Nekrasov blieb zwar ungeschlagen, doch musste fünfmal den Punkt teilen, so dass ihm am Ende nur Platz 7 blieb. Um Deutscher Meister zu werden, mussten 7,5 Punkte erzielt werden. Dies gelang Christian Hess (St. Pauli), doch er kam nur mühsam mit einem Remis in der ersten Runde in das Turnier, so dass ihm am Ende drei Buchholzpunkte zum Titel fehlten. Neuer Deutscher Seniorenmeister 65+ wurde Gerhard Kiefer (SC Emmendingen), der in den Runden 3, 5 und 9 remis spielte und sechs Partien zum Teil eindrucksvoll gewann, z.B. in Runde 8:

Kiefer,Gerhard (2256) – Juhnke,Juergen (2217)

  1. DSenEM2018–Gruppe-65 (8.1), 28.07.2018

Position nach 40…Dxd5:

Beide Könige stehen in einer Mattfalle, doch Schwarz ist nicht am Zug und daher gewinnt Weiß:

41.De2 Th8 42.Te7+ Kf8 43.Te1 Dd4
Schwarz droht wieder einmal Matt, aber Weiß ist schneller! – Wie?

Die Lösung folgt am Ende des Beitrags!

Neue Deutsche Seniorenmeisterin 65+ wurde Barbara Borries (SC Taufkirchen), die sich in dem 198er Feld mit 4,5 Punkten auf Platz 101 spielte und dabei ebenfalls drei Buchholzpunkte mehr als ihre Verfolgerin Barbara Jacob (SV Ochtrup) hatte.

Neuer Deutscher Nestorenmeister wurde FM Willy Rosen (SF Essen-Katernberg), der mit seinen 6,5 Punkten insgesamt auf Platz 14 kam.

 

Bei den Jungsenioren sah alles nach einer klaren Angelegenheit für Dieter Pirrot aus, da er seine Partien souverän gewann und andere Titelaspiranten halbe und ganze Punkte abgaben. Doch in der 7. Runde konnte ihn Hartmut Metz (SG Kuppenheim) durch einen Sieg überholen, so dass es wieder spannend wurde. Nach acht Runden lagen drei Spieler mit 6,5 Punkten vorn und mussten in der 9. Runde gegen ihre Verfolger Punkten: Holger Namyslo (TG Biberach) hatte gegen Hauke Reddmann (5,5) einen gebrauchten Tag und musste seine einzige Niederlage quittieren. Hauke blieb am Ende mit einer schlechteren Buchholz hinter Holger Namyslo. Dieter Pirrot konnte seine Partie wieder einmal zu seinen Gunsten entscheiden, so dass nur noch Hartmut Metz auf 7,5 Punkte kommen konnte. – Im 77. Zug gab es dann den entscheidenden Fehler und Hartmut wurde für sein beharrliches Spiel auf Sieg belohnt. Aber auch hier entschieden am Ende drei Buchholzpunkte für den ersten Deutschen Seniorenmeister 50+ IM Dieter Pirrot.

Von seinen 284 Zügen auf dem Weg zur Meisterschaft konnte der neue Deutsche Meister in der 8. Runde eine sehenswerte Kurzpartie präsentieren:

Pirrot,Dieter (2365) – Reddmann,Hauke (2284)

  1. DSenEM2018–Gruppe-50 (8.2), 28.07.2018

1.e4 c5 2.d4 cxd4 3.c3 dxc3 4.Sxc3 e6 5.Sf3 a6 6.Lc4 b5 7.Lb3 Se7

[Auch Spieler mit höherer ELO haben sich schon im Morra-Gambit duelliert: 7…Lb7 8.0–0 Se7 9.Lg5 f6 10.Le3 Sg6 11.a4 b4 12.Sd5 exd5 13.exd5 Ld6 14.Sd4 Se7 15.Te1 Kf8 16.Dd2 Da5 17.Lf4 Dc7 18.Txe7 Lxf4 19.De2 Lxh2+ 20.Kh1 Le5 21.Se6+ 1–0 (21) Berg,E (2579)-Luch,M (2448) Porto 2016]

8.Lg5 h6 9.Le3 Sg6 10.0–0 Sc6 11.Sd5

[Weiß kann schon eine Figur ins Geschäft stecken und droht Lb6.]

11…exd5 12.exd5 Le7N
[Das ist eine Neuerung, andere Spieler versuchten sich im Festhalten der Figur mit 12…Sa5 oder 12….Sce5]

13.dxc6+– dxc6  14.Dc2! [verhindert die Rochade!]
14…Dc7 15.Tfe1 Lg4 16.Sd4 [ Droht h3 und aus.]
16…Tc8 17.Sf5 c5 18.Sxg7+ Kf8 19.Se6+ Lxe6 20.Lxe6 Te8 21.Tad1 Th7? 22.Df5  1–0

 

Bei den Damen war es noch spannender: Im Fernduell verlor die Deutsche Senioren Blitzmeisterin Annett Michel-Wagner in der 9. Runde und blieb bei ihren 5 Punkten. Ihre Konkurrentin Mira Kierzek konnte mit einem glücklichen Remis ebenfalls auf 5 Punkte kommen – sie hatte dann auch noch Buchholzglück und am Ende einen halben Buchholzpunkt mehr. Erste Deutsche Seniorenmeisterin 50+ WFM Mira Kierzek (SC Fulda).

Allen Deutschen Meisterinnen und Deutschen Meistern auch an dieser Stelle einen herzlichen Glückwunsch!!!

 

Teilnehmer vom SC Diogenes? – Ja, einer hat sich getraut, zwei Deutsche Meisterschaften zu spielen: Der Berichterstatter musste beim Oberliga-Wettkampf im Januar feststellen, dass er im „Jung-Seniorenalter“ angekommen ist. – Es lag nicht an der Partie, sondern an dem Flyer, den Schiedsrichter Hugo Schulz dabei hatte. Nach einer Zeit der reiflichen Überlegung und dem Blick auf mehr als 40 Jahre Turnierschach hat mich der Reiz gepackt, wieder einmal zu den jüngsten Teilnehmern zu gehören. Schließlich sprach dafür, dass es sehr einfach ist eine Deutsche Meisterschaft zu spielen und dann sogar noch fast zu Hause. Das spart immerhin große Anreisekosten und die Übernachtung ist auch günstig – Spieler, die nicht im Hotel übernachtet haben, mussten einen „Organisationsbeitrag“ von 30 Euro bezahlen. Für den Verzehrgutschein von 60 Euro haben alle wenigstens noch eine Gegenleistung erhalten – das Essen im Hotel hat mir geschmeckt!

Die Organisation der Meisterschaft war einer Meisterschaft würdig – also meisterlich. Der Internetauftritt mit Auslosung und aktuellen Partien ließ aus meiner Sicht keine Wünsche offen. Auch das Rahmenprogramm war umfangreich und ansprechend, auch wenn ich es nicht genutzt habe – vielleicht einmal an einem anderen Ort.

Schachlich?

Beim Blitzen am Freitag konnte ich mit 5,5 aus 11 auf Platz 16 von 33 nicht sonderlich überzeugend spielen. Ein Tief in Runde 6 und 7 bescherte mir mit 2,5 aus 7 das Freilos…, also eigentlich nur 4,5 aus 10.

Das Schweizer-System-Turnier startete mit einem Auftaktremis schwerfällig und es ergab sich der Rhythmus mit Schwarz remis und mit Weiß gewinnen. Dabei gab es jedoch in Runde 6 und 8 kritische Situationen zu überstehen. In Runde 6 hatte mein Gegner zum Glück nicht mehr genügend Zeit, um seinen Konter vor dem 40. Zug zu vollenden. Doch nach der Zeitkontrolle im 41. Zug gab er die Partie total aus der Hand. Mit drei anschließenden Siegen konnte er sich immerhin noch auf Platz 6 vorkämpfen. In Runde 8 spielte ich die Eröffnung ohne Rochade, um auf dem Königsflügel loszulaufen. Das erwies sich als zweifelhafte Entscheidung bzw. wurde von mir nicht mit Lxf7 konsequent fortgeführt. Nach Abtausch von Springer, Läufer und Dame sowie Öffnung der c-Linie hatten sich meine Probleme in einen Vorteil mit dem zentralen König umgewandelt. Dass mein Gegner mir nach der Niederlage nicht die Hand gibt, habe ich in meinen 42 Jahren Turnierschach nur in frühen Jugendjahren erlebt – schade eigentlich.

In Runde 9 an Tisch 1 – das ist doch eigentlich ein Zeichen dafür, dass einiges im Turnier gut gelaufen ist. Nur schade, dass ich Schwarz hatte und mein Gegner im Kampf um den Titel auf den ganzen Punkt spielen musste und so die Remisserie in Gefahr geriet… Aber eigentlich ist das ja auch eine gute Konstellation. Das Ende habe ich oben schon beschrieben, mehr vom Schach (Aufgaben und Analysen) gibt es dann in der nächsten Tonne. Für mich blieb mit 6 Punkten Platz 9 statt dem möglichen 5. – Fazit: 1. Beachte immer, ob der Gegner Möglichkeiten hat ein Schach zu geben! 2. Rechne lieber noch einmal deinen Plan durch, vor allem, wenn Du mehr Zeit als der Gegner hast!!

Lösung von Kiefer – Juhnke:
44.Te8+ Kg7 45.Dg2+ Dg4 46.T1e7+ Kh6 47.Txh8+  1–0 (Nach 47…Txh8 48.Dd2+ Dg5 49.hxg5+ fxg5 50.Dd6#)