Oberliga Runde 5 – Das Märchen geht weiter

Gestern empfingen wir im Fahrenkamp den Tabellenführer und klaren Aufstiegsfavoriten aus Schwerin zur 5. Runde.

Wir waren sensationell in die Saison gestartet und freuten uns darauf es als Tabellenzweiter zum Highlight des ersten Kampf des Jahres dem schier übermächtigen Gast aus Schwerin so schwierig wie möglich zu machen. Auf dem Papier sollte es eine glasklare Sache werden. Wir mit Ersatzspielern gespickt (vielen Dank an die zweite Mannschaft, die aufgrund erneut vieler Absagen in den beiden Mannschaften nur zu siebt spielte, weil sie uns mit Christian K. und Oguz aushielf) gegen die mit diversen Titelträgern (3GM, 1 IM, 2 FM und damit einen Schnitt von mehr als 2350 ELO) ausgestatteten SF Schwerin. Insgesamt trennten uns 1788 ELO-Punkte, im Schnitt also genau 223,5 Punkte Unterschied pro Brett. Klingt nach einem einfachen Tag im Büro, doch es sollte anders kommen.

Der Start verlief für uns ein bisschen besorgniserregend. Hauptsächlich ausgeglichene Stellungen, aber mit Ausnahme von Markus überall teils deutlich mehr Zeit verbraucht mussten wir uns auch schon bald um Oguz Sorgen machen, der in eine unangenehme Stellung geriet, die noch dazu überhaupt nicht seinem Spielstil entsprach. In der Folge spielte zuerst Christian L. in wohl ausgeglichener und offener Stellung remis. Überrascht hat mich, dass der Gegner angenommen hat, mit einem Sieg wäre die 2300er Marke gefallen und damit der FM-Titel drin gewesen. Später gab es eine einfache Erklärung, für uns aber hieß es damit, Höchststrafe abgewendet. Wenig später musste sich Oguz geschlagen geben. Das war einfach nicht seine Partie.

Alle anderen Partien gingen über die Zeitkontrolle. Sehr viel habe ich leider nicht mitbekommen, da ich selber auch eher wenig Zeit auf der Uhr hatte, aber kurze Eindrücke wollte ich dann doch haben. Markus stand gegen GM C. Horvath gefühlt etwas schlechter, die Stellung war aber hochkompliziert, da fehlte mir der Durchblick. Fabian hatte keinerlei Probleme und lehnte kurz vor der Zeitkontrolle sogar ein Remisangebot seines Gegners GM Danielsen ab. Ich war mit meiner Partie gegen GM J. Horvath zwischenzeitlich recht zufrieden, Roman spielte gegen IM de Jong mit Mehrbauern auf nur zwei mögliche Ergebnisse, Christian K. hatte eine völlig verrückte Partie, die vermutlich ein halbes Buch füllen könnte, zu der ich mir aber keine objektive Einschätzung zutraue, und Leon hatte ebenfalls eine komplett offene Stellung, die mir aber eher vorteilhaft erschien.

Einen wirklichen Einblick kann ich nur zu meiner Partie geben. So bestätigt mir die Engine, dass ich tatsächlich gut spielte und so verrückt das klingt, meinem 300 Punkte stärkeren Gegner ein bisschen die Butter vom Brot nahm. Kompliziert wurde es um Zug 20, wo wir beide mit dann nicht mehr allzu viel Zeit auf der Uhr anfingen Ungenauigkeiten zu begehen. So stellte ich in Zug 23 meinen Vorteil weg, in Zug 25 verpasste mein Gegner wiederum Vorteil, in der weiteren Folge stand bei schwieriger Stellung mit sehr wenig Zeit erst ich, dann er auf Gewinn, sodass das Remis durch Dauerschach kurz nach der Zeitkontrolle am Ende vielleicht das gerechte Ergebnis darstellt. Beispielhaft die Stellung nach dem 27. Zug von Weiß.

Hier bringt mir das gespielte 27. …a3 28. La1 Txc4 Vorteil. Mein Gegner spielte schnell 29. Ld5, was bei korrektem schwarzen Spiel zu gewinnbringendem Vorteil führt. Die richtige Idee hatte ich zwar auf dem Schirm, die Ausführung gelang mir in der Partie mit etwa 2 Minuten auf der Uhr allerdings nicht.

Zurück zu den anderen Partien. Fabian spielte ebenfalls bald nach der Zeitkontrolle remis, aus der Position der Stärke heraus.  Zwischenstand also 1,5:2,5, aber auf einmal sahen alle weiteren Partien nicht so schlecht für uns aus. Markus stand nun in nach wie vor komplizierter Stellung gut bis auf Gewinn, verschmähte die Möglichkeit einen Bauern mitzunehmen, und zeigte stattdessen mit einer mehrzügigen Kombination, dass der gegnerische König kein bisschen sicher stand. Der Ausgleich. Blieben also noch Roman, Christian K und Leon. Christian K. wickelte bei gleichem Material in ein totremises Endspiel ab, 3:3. Leon hatte ein gleichfarbiges Läuferendspiel mit Bauern auf hgfa gegen Bauern auf hgf. Ob das in der konkreten Situation tatsächlich gewonnen war weiß ich nicht, aber verlieren konnte man das nicht. Und auch Roman hatte nach wie vor einfach Bauern mehr.

Sollte es tatsächlich DIE Sensation werden? JA! Leon gelang es irgendwie aus beschriebener Situation zwei Freibauern auf h und a zu bekommen, für die Verteidiger zu viel, das 4:3. Und Leon zeigt mit nun 3,5 aus 4 gegen einen Schnitt von 2160 ELO eindrucksvoll, dass Zahlen bei Jugendlichen nicht allzu viel heißen müssen. Blieb also noch Roman, dessen Partie bis in den Start der siebten Stunde andauerte. Ich war ruhig, denn die Frage war eigentlich nur ob Sieg oder remis und so war ich doch völlig perplex, als Leon mir sagte, dass der Gegner auf einmal einen Freibauern hatte und Roman nur noch 2 Minuten Bedenkzeit auf der Uhr stehen hat. Der kurzen Panik folgte dann aber schnell die Gewissheit, dass Roman sich nicht völlig verkalkuliert hatte, zwar nicht mehr selber weiter kam, der gegnerische Bauer aber auch nicht. Der entscheidende halbe Punkt zum 4,5.

SIEG! David hatte gegen Goliath gewonnen. Wir konnten es kaum glauben, und doch muss man sagen, schaut man sich die Partien an, so ist dieser Erfolg nicht völlig unverdient. Wir hatten von Brett 1-4 gegen drei GMs und einen IM zwischenzeitlich an jedem Brett klaren Vorteil bis Gewinnstellung. Das klingt verrückt, ist aber tatsächlich der Fall. Schön zu sehen ist außerdem das Mitfiebern der weiteren Teamkollegen. So kamen sowohl von Stefan als auch von Axel nach den Motivationsschreiben vor dem Kampf auch Glückwünsche nach dem Kampf aus dem Ausland an das Team. Loben möchte ich außerdem unsere Gäste, die zwar sichtlich nicht glücklich waren, sich aber jederzeit absolut fair und freundlich präsentiert haben.

Mit nun unfassbaren 9:1 Mannschaftspunkten kann das Thema Abstieg für diese Saison endgültig zu den Akten gelegt werden. Das Thema Aufstieg möchte ich ausdrücklich nicht in den Mund nehmen, wenngleich ein Ausdruck der Tabelle durchaus etwas Positives hat. Wenn man aber bedenkt, dass es vor der Saison nur um den Klassenerhalt ging, wird man auch feststellen, dass wir auch gegen die kommenden Gegner nicht Favorit sein werden und es genügend Möglichkeiten gibt Punkte abzugeben, wenngleich wir natürlich versuchen werden zu punkten, wo immer es geht. Die nächste Möglichkeit dafür bietet sich schon in zwei Wochen, wenn wir am 3.2. den SKJE empfangen, der mit der bisherigen Saison sicherlich nicht zufrieden ist und bereits gewaltig unter Druck steht, wenn der Klassenerhalt noch gelingen soll.

Zum Abschluss aber, weil es so schön ist, die Übersicht über den gestrigen Kampf mitsamt Tabelle:

Dio-Schwerin          Oberliga Tabelle