Drama in Baku

Was für ein Drama beim World-Cup in Baku: Im Viertelfinale musste Elisabeth Pähtz gegen Anna Muzychuk in den Tiebreak und konnte mit Schwarz in der ersten Schnellschachpartie eine sehr offensiv angelegte Partie im Angriff für sich entscheiden, letztendlich durch Zeitüberschreitung. Doch dann verlor sie ihre Weißpartie…

Somit gab es die nächsten beiden Schnellpartien (mit reduzierter Bedenkzeit: 10 Minuten plus 10 Sekunden pro Zug).  Elisabeth begann mit einem weißen Eröffnungsexperiment, doch das ging nach hinten los: 0:1. So stand sie in der vierten Partie mit dem Rücken zur Wand, doch sie spielte im Sizilianer mutig nach vorn. Nach einer weißen Neuerung im 17. Zug und einem Fehler im 19. Zug konnte sie nach 20 Zügen Vorteil erlangen. Aber auch vorteilhafte Stellungen sind noch nicht gewonnen und trotz zahlreicher starker Züge zwischen dem 20. und 30. Zug gab es im 37. Zug eine Ungenauigkeit und einen Konter, den Anna Muzychuk nicht ausgenutzt hat:

Diagramm nach 37.Df3

Hier hat Schwarz einige Möglichkeiten den Druck aufrecht zu erhalten und den Vorteil zu bewahren. Vermutlich mit geringer Zeit folgte 37…Tf8?
Das Verlassen der d-Linie erlaubt dem weißen Springer die Freilegung der Diagonale g1-a7: 38.Sf5 und Weiß muss um Ausgleich kämpfen! 38….Lxf5?

Notwendig ist 38….Txf5! 39.Lxc5 (39.exf5 Lxf5+ nebst Mattangriff) 39…Txf3 40.Lxb6 Txb3+ 41.Kc1 Lf6, denn das Feld d8 muss unter Kontrolle bleiben. Der schwarze Vorteil ist allerdings dahin.

39.exf5?
Nach 39.Lxc5 hat Weiß Vorteil.

Mit 39…Da5 hat Schwarz wieder Vorteil!
40.Ta2 (40.Lxc5 wird nun beantwortet mit 40…Da1+ 41.Kc2 Db2+ 42.Kd3 Dxb3+ 43.Ke4 Dxd1 und Schwarz hat seinen Turm zurück. Weiß darf nun weder den Turm auf f8 noch den Läufer auf e5 nehmen, denn sonst könnte Schwarz entweder auf d4 Matt setzen oder mit Te8+ den Turm auf  e2 einsammeln. Nach 44.Tf2 bleibt es spannend!)

40…Dc3 41.Dxc3 Txc3 42.Td5 Txb3+
Hier wäre der Rückzug genauer: 42…Lf6!? 43.Txa6 Txb3+ 44.Kc2 Th3!

43.Kc2 Tc3+ 44.Kd2 Lf6 45.Txa6 Th3

Der große Rauch hat sich verzogen und Weiß steht kurz vor der Punkteteilung, aber nach 46.Lc5 Tb8 47.Tb6? Ta8! hat Schwarz wieder Vorteil und Weiß die Chance versäumt mit 47.Ld4 auszugleichen. 48.Le3 Ta2+ 0-1. Interessant wäre noch 48.Ld6!? Nach 48…Ta2+ 49.Kc1 h6! Denn nach 49…Th1+ 50.Td1 Ta1+ 51.Kc2 Thxd1?? 52.Tb8+ nebst Matt auf f8!

War das schon Drama genug? – Weiter ging es mit dem Blitzen (5 Minuten plus 3 Minuten pro Zug): Da die Farben wieder neu ausgelost werden, hatte Elisabeth wieder Schwarz und wieder ging es Sizilianisch hoch her. Nach 24.Tfd1 hatte Elisabeth schon deutlichen positionellen Vorteil, aber es ist eine Blitzpartie!

Wie soll Schwarz den Angriff fortsetzen? – Wie groß ist der Druck nach mehr als vier Stunden im Tiebreak und mit knapper Bedenkzeit? – Ist der Bauer auf d5 wichtig, um die schwarzen Springer zu stützen? Nach 24…Dc6 war die Partie im höheren Sinne verloren.

Notwendig waren ruhige Züge wie 24…h6 oder sogar 24…Te8! Nur so kann die Drohung auf der d-Linie pariert werden, z.B.
24…Te8 25.Txd5? Sxb2 26.Kxb2 Sxc3 und Schwarz gewinnt. Daher muss Weiß 25.Ka1 spielen, aber Schwarz bleibt am Drücker!

In der Partie entscheidet die Fesselung auf der d-Linie und die ungeschützte Grundreihe nach 25.Dxe4! und 1-0 nach 38. Zügen.

Mit dieser Enttäuschung musste Elisabeth Pähtz in die achte Wettkampfpartie gehen, aber in dieser Blitzpartie konnte sie kein Angriffsspiel entfachen und kam nicht über ein Remis  hinaus, so dass Anna Muzychuk in das Halbfinale eingezogen ist. – Irgendwie ist dieser dramatische Tiebreak vergleichbar mit dem dramatischen Elfmeterschießen zwischen Australien und Frankreich!