Historischer Erfolg in der „Stadt des Marzipans“

Der Lübecker SV ist der Verein, gegen den wir nach dem HSK (24 Duelle) die meisten Wettkämpfe in der Oberliga bestritten haben. Am 1. Mai war es der 23. Wettkampf seit unserer ersten Saison 1990/91. Durch die wechselvolle Geschichte des LSV war es jedoch erst der siebente Vergleich mit Lübeck 1 und wie oben zu lesen ein historischer Erfolg, denn es war der erste doppelte Punktgewinn!

Die Vorzeichen dieser „offiziell“ 9. Runde waren ungewöhnlich – Runde 4 und 5 müssen pandemiebedingt noch nachgeholt werden: Lübeck ist trotz nomineller Stärke schlecht in die Saison gestartet und konnte erst in Runde 3 den ersten Mannschaftspunkt erzielen. Durch den Rückzug von Harksheide lagen die Lübecker nach fünf Wettkämpfen punktgleich mit uns, die wir schon sechsmal gespielt hatten, auf Rang 7. Insofern war es eines von drei „Abstiegsduellen“, denn auch Schachfreunde Schwerin, unser Gegner vom 29. Mai und vorher am 15. Mai Gegner von Lübeck, hängt überraschend noch im Tabellenkeller fest.
Unsere Aufstellung war nicht optimal, da Markus erneut absagen musste, doch zum Glück konnte Almar den ersten Wettkampf der Saison spielen, so dass wir durchaus als konkurrenzfähig gegen die nominell stärker aufgestellten Lübecker bezeichnet werden konnten. Immerhin haben wir in fünf der sechs zuvor gespielten Begegnungen mit ähnlichen Aufstellungen immer mindestens 3,5 Punkte geholt.
Nach etwa zwei Stunden zeigten sich auf den Brettern schon einige kritische Positionen, besonders mit den schwarzen Steinen. So zum Beispiel hatte Leon an Brett 8 gegen Thilo Koop zwei Bauern eingesammelt, aber dafür eine „wahnsinnige Initiative“ zugelassen. Mit dem König in der Mitte sah es verdächtig aus. Auch Fabian an 2 musste sich mit kräftigen Angriffszügen seines Gegners Michael Kreuzholz auseinander setzen.
In meiner Partie an Brett 6 entschied ich mich für entgegengesetzte Rochaden, doch bei dieser ersten Schwarzpartie nach mehr als 30 Monaten verließ mich die Zuversicht in die Sicherheit meines eigenen Königs, so dass ich nach 20 Zügen remis anbot, da sich bei Almar eine sehr aussichtsreiche Angriffspartie anbahnte.
Während ich noch meine Partie und die interessante Schluss-Stellung analysierte, verlor Christian an 5 überraschend eine Partie, die ich eher als langfristig schwierig eingestuft hatte. Da hatte sich auch bei Holger an 4 das Materialverhältnis drastisch verändert: Nach einem zweifelhaften Figurenopfer seinerseits gab sein Gegner, DSB-Präsident Ulrich Krause, seine Dame gegen zwei Türme. Doch kurz danach wurde der Punkt geteilt und die kritische vierte Stunde war in vollem Gange. Unsere Hoffnungen lagen in den Weiß-Partien von Almar an 3 und Oguz an 7 und in der Widerstandfähigkeit von Torben gegen GM Sergey Kalinitschew sowie Fabian und Leon.
Torben bot seinem Gegner im Doppelturmendspiel mit Springern und ungleichfarbigen Läufern die Zugwiederholung an, doch sein Gegner entschied sich mit Blick auf den Wettkampf für das Weiterspielen. Tatsächlich konnte Oguz für uns in einer überzeugenden Angriffspartie den Ausgleich erzielen.
So gab es in der fünften Stunde noch vier Partien und es erschien zwischen 3,5 und 4,5 Punkten alles möglich. Wichtig dabei war die Ruhe, das Glück(!) und die Verteidigungskunst von Leon, der in seiner Partie kurz vor der Zeitkontrolle die Damen vom Brett nehmen konnte, so dass sein offener König sicher war und er nun im Endspiel mit Turm und Springer gegen Turm und Läufer einen Bauern mehr hatte. Mit der für ihn typischen Ruhe konnte auch Fabian seine kritische Stellung zusammen halten und den nächsten halben Punkt sichern.
Eine absolut aufregende Partie ereignete sich an Brett 3 bei Almar, der nach der Partie überhaupt nicht zufrieden war. Für den Zuschauer wurde viel geboten, denn der Vorteil wechselte hin und her. Aber ich hätte es auch gern gesehen, wenn sich Almar in seiner ersten Turnierpartie nach langer Zeit belohnt hätte – doch sein Gegner Harald Schmidt spielte schnell und in entscheidenden Phasen kreativ und Almar leider nicht fehlerfrei, so dass am Ende nach 87 Zügen trotz neuer Dame der Punkt geteilt wurde, da Almar die Zeit für konkrete Rechnungen in der Gewinnstellung fehlte.
Ich war mir nicht sicher, ob die Abwicklung von Leon in ein Turmendspiel mit Mehrbauer der beste Weg gewesen ist, aber als plötzlich Torben zum Konter ansetzte und Turm gegen Läufer gewinnen konnte – oder war es ein Opfer, um noch zu gewinnen? – schien der Kampf endgültig gekippt. Die Probleme mit dem schwarzen d-Freibauern konnte Torben lösen, doch erst als Schwarz den weißen g-Bauern vernachlässigte, war das Endspiel wirklich gewonnen für Weiß und so konnte Torben seinen dritten Saisonsieg an Brett 1 feiern! Zum guten Ende dieses „Tags der Arbeit“ vollendete Leon seine Arbeit nach mehr als sechs Stunden und 89 Zügen zu unserem 5:3-Erfolg.
So können wir nun entspannt sehen, wie sich nach dem 15. Mai die Tabellensituation ergibt, denn nach einen 5:3-Erfolg der Schachfreunde gegen Königsspringer stehen nun Schwerin auf Platz 9 und Lübeck auf Platz 8 unter Druck. – Klar ist dagegen schon der (erwartete) Aufstieg von Doppelbauer Kiel 2 – herzlichen Glückwunsch!
Entspannung für unsere Staffel ergibt sich aus der Tatsache, dass der Aufsteiger aus Mecklenburg-Vorpommern wohl der Ost-Staffel zugeteilt wird, da der Spielort östlich der A19 liegt. Ob es überhaupt einen zweiten Absteiger neben Harksheide gibt, hängt somit davon ab, ob unsere Staffel einen Absteiger aus der 2. Bundesliga bekommt, die am 1. Mai erst ihre vierte Runde gespielt hat. Auch hier wissen wir am 15. Mai besser Bescheid, wenn Norderstedt den wichtigen Kampf gegen Magdeburg gespielt hat.