Vereinsmeisterschaft 2021 – Rückblick auf die Vorrunde

Eigentlich waren im Clubturnier die Karten für die Vorrunde klar verteilt – Thomas und Ralf waren als langjährige Stadt- und Landesligaspieler favorisiert, die Bezirksligaspieler Torsten und Achim Herausforderer, und Klaus war der klare Außenseiter. Und auch wenn die Tabelle der Vorrunde tatsächlich die DWZ-Zahlen widerspiegelte, war die Angelegenheit weitaus weniger klar.

In Runde 1 konnte sich Ralf relativ klar gegen Klaus durchsetzen, aber Thomas stand zwischenzeitlich doch deutlich schlechter. Leider (für ihn) konnte Torsten den Vorteil nicht verwerten und verlor noch. Vielleicht kann Thomas noch mal eine Schlüsselstellung bereit stellen.

In Runde 2 konnte sich Thomas in einer verlegten Partie gegen Ralf durchsetzen, näheres dazu habe ich leider nicht. Ich durfte gegen Torsten spielen, und die Schlussphase war schon ganz interessant. Ich sollte dazu anmerken, dass es zwei Tage zuvor das Karsten-Training gab, bei dem er uns zeigte, dass man wissen sollte, wann man lieber auf Remis statt auf Sieg spielt.

Achim – Torsten
Die Stellung ist ziemlich ausgeglichen, mit leichten Vorteilen für Schwarz. Auffällig ist, dass beide Seiten eher auf Angriff spielen. In solch einer Stellung kann der kleinste Fehler tödlich enden.
36.  … Dxa3? 37. Sxh7 Tf7 38. Sg5 Tf8 39. Txg6+ Kh8 Die Dame hat sich erst mal aus dem Spiel genommen, und an sich ist die Partie für Weiß gewonnen. Mit Sf7+ erzwingt man mehr oder minder einen massiven Materialtausch und endet mit 2 verbundenen Freibauern, ich dachte aber, die folgende Abwicklung reicht auch:
40. Lh3 Se3 41. Th6+ (viel besser wäre 41. Dd2 Da1+ 42. Kh2 Lf5 43. Sf7+ Kh7 44. Lxf5 Sf1+ 45. Kg2 gewesen, weil der drohende Damenverlust ausreichend durch verschiedene nicht deckbare Matts kompensiert wird) Kg8  42. Db1? Hier hätte es diverse bessere Möglichkeiten gegeben, z.B. Lxc8, Se6 oder Tg6+ nebst Dd2 – aber irgendwie fürchtete ich da immer, im Dauerschach oder blöden Kontern zu landen. 42. Lf5 43. Tg6 Kh8 

Laut Engine gibt es jetzt eine Remisvariante, verschiedene Verlustzüge und eine Variante, mit der Weiß gewinnt: 44. Lxf5 Sxf5 45. Se4. Doch entweder habe ich Se4 nicht gesehen, oder ich habe die Stellung nicht mit > +5 bewertet. Also folgte 44. Th6+ mit folgender Zugwiederholung.

Ich will jetzt nicht sagen, dass die Remisabwicklung was mit Karstens Training zu tun hatte – meine Chancenverwertung erinnerte zumindest an die aktuelle HSV-Saison.

In Runde 3 konnte Thomas relativ schnell gegen Klaus gewinnen – die Partie von Ralf gegen mich zog sich dagegen hin. Interessant war dabei, dass ich meiner Meinung nach relativ lange gut stand – Stockfish sah das anders, zwei Züge lang hätte Ralf auf +6 stellen können, ansonsten hatte ich erst ab dem 30. Zug halbwegs Ausgleich erreicht.

Ralf – Achim

Diese Stellung gab es relativ spät am Abend, und eigentlich alle im Clubheim dachten, dass ich hier klar besser stehen würde. Stockfish 14.1 errechnet dagegen nur -0,7. Die folgende Abwicklung hatte es aber in sich:

37. Td8+ Kg7 38. Dd6 Te6 Hier wäre Lg1+ wohl besser gewesen.
39. Dd3 Df6? Hier dachte ich, dass ich schönen Angriff, aber wer erahnt schon die Feinheit, die alle Kiebitze übersehen haben?
40. Td7+ Kh6?? Jetzt ist die Partie für Schwarz schon verloren, aber noch hat Ralf den entscheidenden Zug nicht gefunden.

41. Df3 Dh4 Hier gibt es für Schwarz Ideen wie Te1, und Weiß hat noch immer keine gute Verteidigungsidee.
42. c4 Irgendwie sah ich jetzt nur noch den Angriff, also 42. … Te1
Alle Anwesenden hatten sich schon um das Brett versammelt, aber nur Ralf sah den Zug, den er schon zwei Züge früher hätte spielen müssen:
43. g4!
Und auf ein Mal ist die Partie vorbei. Ich gönnte Ralf das zweizügige Matt, das Endspiel mit T+L gegen D wäre auch unspielbar gewesen.

Von Runde 4 habe ich nicht so viel mitbekommen, weil Klaus die Partie verschwitzt hatte und parallel die Terminabsprache für die HMM lief. Was ich sah, war ein Torsten, der Ralf sehr in Bedrängnis gebracht hatte. Angeblich stand er dann später eher auf Verlust, das Ganze endete aber Remis.

In der Schlußrunde machte Torsten mit Klaus relativ kurzen Prozess, während bei meiner Partie gegen Thomas eine Sensation in der Luft lag. Thomas machte im 8. Zug einen Fehler, der ihn einen Bauern und die Stellung kostete, und einige Zeit später sah es tatsächlich so aus:

Thomas – Achim

Ein absolut unglaubliche Stellung. Die Engine sagt dazu -8, obwohl Schwarz nur einen Mehrbauern hat. Aber auch sowas muss man erst mal zum Sieg bringen.
24. Sg2 f4 25. gxf4 Hier steht man schon vor der spannenden Frage, womit man als erstes rausnimmt.
25. … Lxf4 26. Sxf4 Sxf4 27. Dxe4 Weiß hat vorerst materiellen Ausgleich erreicht und eine Stellungsbewertung von ca. -8. Schwarz steht jetzt aber vor dem Problem, welche der vielen schönen Möglichkeiten zuerst kommt. Sh3+, Dg5+, vielleicht Dh5? Ich entschied mich für einen weniger guten Zug, nämlich 27. … Dh4 – schon mit einem konkreten Plan verbunden.
28. Sg3 Ich war dermaßen auf einen erträumten Mattangriff aus, dass ich jetzt Te7, was schnell eine Figur gewonnen hätte. 28. Sh3+ 29. Kg2 Tf2+ 30. Txf2 Txf2+ 31. Kh1


Thomas hatte mittlerweile nicht mehr viel Zeit, während ich viel zu fixiert darauf war, den schnellen Gewinn zu suchen.
31. … Sf4 32.Sf1 Dg4 Und schon ist der große Vorteil nicht mehr da. Die Engine empfiehlt hier Txa2 oder einen Königszug, aber irgendwie konnte ich mich geistig nicht damit anfreunden, dass es hier keinen schnellen Sieg gibt.
33. Te1 Dh3 34. De8+ Kg7 35. De7+ Kh6 36. Df8+ Kg5 37. De7+ Kg4 38. De7+ Kh4
Jetzt habe ich die Chance, den ganzen Schachs zu entkommen und in ein etwas besseres Endspiel abzuwickeln, aber Thomas fand noch einen dicken Patzer:

39. Dxh7? Sh5 40. De7+ Leider hatte ich übersehen, dass die Stellung für mich gewonnen ist. Auf 40. … Sf6 41. Te4+ Kh5 42. Sg3+ Kh6 43. Df8+ Kg5 hat Weiß kein Schach mehr und geht matt. Ich patzte statt dessen 40. … g5? 41.Te4+ Sf4 42. Dh7+ Kg4 und wenig später gab es die dreifache Stellungswiederholung.

Dadurch kommt es im Halbfinale zu den Paarungen Achim – Ralf und Thomas – Torsten – beides Partien, in denen sich die Favoriten in der Vorrunde nicht wirklich wohl fühlten. Mal sehen, ob die Tatsache, dass ihnen jeweils ein Remis reicht, eher beflügelt oder hemmt.